bayerischer wald 

Corona: Bürgermeisterbrief


Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,

zunächst möchte ich mich für den überwältigenden Vertrauensbeweis bei der Bürgermeisterwahl recht herzlich bedanken. Knapp 76 % der Stimmen sind eine Bestätigung dafür, dass die Arbeit der letzten sechs Jahre gepasst hat. In diesem Sinne möchte ich auch die nächsten sechs Jahre für unsere Heimatgemeinde arbeiten.
Überschattet wird derzeit aber alles von der Corona-Krise, die uns noch länger beschäftigen wird. Ich bitte alle von Herzen, den Anweisungen der Regierung zu folgen und insbesondere die persönlichen Kontakte auf das absolute Mindestmaß zu beschränken. Auch wenn es uns schwerfällt, derzeit auf Vieles verzichten zu müssen, muss uns klar sein: es geht um Leben und Tod!
Gleichzeitig soll das öffentliche Leben nicht zusammenbrechen. Dafür braucht es viele – nicht nur in den Gesundheits- und Pflegeberufen oder in den Supermärkten – die durchhalten und gut geschützt weiterhin die Versorgung der Bevölkerung sicherstellen.
Es wird auf jeden Fall mit und nach Corona weiter gehen, auch wenn Vieles anders sein wird als zuvor. Frei nach dem Zukunftsforscher Matthias Horx möchte ich uns allen auch Mut machen, dass sich zwar das Bekannte gerade auflöst, sich aber schon das Neue entwickelt. Wir werden in der Krise viel dazu lernen und unser Leben künftig ganz anders sehen: wir werden nach einem langen Verzicht sozialer Kontakte das Persönliche wieder viel mehr zu schätzen wissen, als dies in der hektischen Welt zuletzt der Fall war. Man schreibt sich wieder bewusster – sei es als Email, auf WhatsApp oder Facebook – oder sogar auch wieder einen Brief. Wir werden die modernen Kommunikationswege wie Skype und WhatsApp-Videotelefonie wie selbstverständlich nutzen. Verzicht muss nicht unbedingt Verlust bedeuten. Im Gegenteil. Es ist so ähnlich wie beim Fasten: danach schmeckt das Essen besser. Paradoxerweise erzeugt die körperliche Distanz, zu der uns das Virus zwingt, gleichzeitig eine neue Nähe. Wir telefonierten länger, öfter und intensiver mit Freunden und hören mehr zu. Weil gerade Ältere so lange zuhause bleiben und versorgt werden müssen, werden wir erleben: Wir rücken trotzdem enger zusammen. Lehrer, Schüler und Eltern lernen eine Menge über Internet-Schule. Homeoffice wurde für viele zur Selbstverständlichkeit. Menschen, die vor lauter  
Hektik nie zur Ruhe kamen, machen plötzlich Spaziergänge. Auch junge Leute. Bücher lesen wird plötzlich zum Kult.
Wir überdenken unsere globale Lieferkette und erkennen, dass „Just in time“ nicht nur Vorteile hat. Vieles wird wieder national oder sogar lokal produziert, das aus Kostengründen in Billiglohnländer abgewandert war – nicht nur lebenswichtige Medikamente.

Die Forschung wird uns überraschen, was unter Druck und mit der nötigen finanziellen Unterstützung alles möglich ist und wie schnell es gehen kann. Die Todesraten werden sinken und Corona zu einem Virus, mit dem wir eben umgehen müssen wie mit der Grippe und vielen anderen Krankheiten.


Wir werden uns wundern, wie weit die Wirtschaft schrumpfen kann, ohne dass es zum „Zusammenbruch“ kommt, der vorher bei jeder noch so kleinen Steuererhöhung oder anderen Gesetzesänderungen beschworen wurde. Obwohl wahrscheinlich ein „schwarzer April“ einen tiefen Konjunktureinbruch und Riesenprobleme für zahlreiche Unternehmen bringt, kommt es nie zum Nullpunkt.
Wir alle kennen das Gefühl der geglückten Angstüberwindung. Wenn wir für eine Behandlung zum Zahnarzt gehen, sind wir schon lange vorher besorgt. Wir verlieren auf dem Zahnarztstuhl die Kontrolle und das schmerzt, bevor es überhaupt wehtut. Manche steigern sich in Ängste hinein, die sie völlig überwältigen. Wenn wir dann allerdings die Prozedur überstanden haben, kommt es zum Glücksgefühl: Die Welt wirkt wieder jung und frisch und wir sind plötzlich voller Tatendrang.

Vielleicht ist das Virus nur ein Bote aus der Zukunft. Seine drastische Botschaft lautet: Die menschliche Zivilisation ist zu dicht, zu schnell, zu überhitzt geworden. Sie rast zu sehr in eine bestimmte Richtung, in der es keine Zukunft gibt.
In diesem Sinne danke ich allen, die im Beruf oder ehrenamtlich zur Krisenbewältigung beitragen und wünsche, dass wir alle möglichst gut durch diese Krise kommen und danach wieder bewusster leben.
„Bleibt´s g´sund!“.

Euer

Markus Müller
Erster Bürgermeister